Maßstäbe einer nachhaltigen Unternehmensführung
Prof. Dr. Markus Vogt
Erstes Deutsche Eliteforum zur Nachhaltigkeit, LMU München, 28.10.2010
Nachhaltigkeit als Change-Management in Krisenzeiten
Nachhaltigkeit ist ein „Breitbandbegriff“ mit dessen Hilfe in zahllosen politischen Reden sowie Hochglanzbroschüren von Unternehmen eine Harmonie von ökologischen, sozialen und ökonomischen Zielen versprochen wird. Die Beliebtheit des Begriffs steht im Verhältnis direkter Proportionalität zu seiner Unverbindlichkeit. Viele haben Zweifel, ob er Substantielles aussagt und eingeschliffene Praxis verändern kann.
Ist der Begriff, auf den sich die Völkergemeinschaft bei der Umwelt- und Entwicklungskonferenz 1992 in Rio de Janeiro geeinigt hat, ein bloßes Placebo? Ich glaube nicht. Es mangelt jedoch an präziser Klärung seiner konzeptionellen, ethischen und anthropologischen Basis.
Entscheidend für die praktische Durchsetzung des Nachhaltigkeitsmanagements ist die Frage, ob es als Luxus für bessere Zeiten gilt oder als dauerhafter Leitwert der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung, der auch bei der Bewältigung der aktuellen Krisen maßgeblich helfen kann. Wer es als Luxus versteht, verschiebt die sozialen und ökologischen Rücksichten auf die Zukunft und fängt erst einmal mit den rein ökonomisch definierten Zielen an. In der entwicklungspolitischen Forschung gibt es dafür den Begriff „trickle down“ (erst Überschüsse erwirtschaften, dann ermöglichen diese soziale und ökologische Investitionen und sickern schließlich zu den Armen durch – der Aufschwung kommt unten an). Dieses Konzept, das auch in den Dokumenten der UN seinen Platz gefunden hat, ist meines Erachtens einer der Gründe dafür, dass Nachhaltigkeit in der politischen Praxis häufig zu einer ideologischen Fassade für die Rechtfertigung bisheriger Wachstums- und Verteilungsmodelle verflacht ist (Vogt 2009, 111-179, bes. 144). Es dient teilweise als Neuauflage eines Utopieversprechens für globalen Wohlstand, diesmal in ökologischem Gewand.